R U N D S C H R E I B E N Nr. 24/2021 des BMBWF
Endlich sind sie da, die heiß ersehnten neuen Richtlinien für den Umgang mit Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten (LRS) im schulischen Kontext. Ich habe das Rundschreiben für euch zusammengefasst und kommentiert.
Die Richtlinien gelten in ganz Österreich und schließen alle Schülerinnen und Schüler mit auffallenden Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten. Der Begriff Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten umfasst sowohl die Lese-/Rechtschreibschwäche als auch die Lese-/Rechtschreibstörung nach WHO-Definition ICD-10.
D. h. allen Schülerinnen und Schülern mit Lese-/Rechtschreibschwierigkeiten stehen entsprechende Fördermaßnahmen zu:
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die Begriffe Lese-Rechtschreibschwäche, Lese-Rechtschreibstörung und Legasthenie in der Literatur synonym verwendet werden und keinerlei Abstufung der Störung hinsichtlich des Schweregrades darstellen. Auch in den Richtlinien werden die Begriffe NICHT als Abstufung verstanden, sondern als rechtliche Abgrenzung voneinander.
Das Erkennen der Symptomatik der Lese-Rechtschreibschwäche ist Teil der fachlichen Qualifikation der Lehrkräfte.
Es können Beobachtungen der Lehrpersonen zu
herangezogen werden.
Ebenso können fachliche Berater und Beraterinnen zu Rate gezogen werden.
Zusätzlich KANN (nicht muss) eine klinisch-psychologische Diagnose eingeholt werden.
Eine klinisch-psychologische Abklärung ist empfehlenswert, wenn neben Schwierigkeiten des Lesen-, Schreiben- oder Rechnenlernens allgemeine kognitive Schwächen vermutet werden, sozial emotionale Auffälligkeiten (z.B. Ängste, depressive Stimmungen usw.) hinzukommen, bei Lernproblemen in mehreren Gegenständen oder bei Konzentrationsproblemen.
Die Lehrkraft kann und muss auf die Probleme beim Lese- und/oder Rechtschreiberwerb auch ohne klinisch-psychologischen Befund angemessen reagieren.
Die Feststellung einer Lese-/Rechtschreibstörung nach ICD-10- oder der AWMF-S3-Leitlinie darf nur durch eine klinische Psychologin/einen klinischen Psychologen bzw. ein ärztliches Gutachten erfolgen. Bei Bedarf kann der schulpsychologische Dienst beigezogen werden.
Schülerinnen und Schüler mit einer Lese-/Rechtschreibstörung kann zusätzlich zu den unter angeführten allgemeinem Fördermaßnahmen ein Zeitzuschlag gewährt werden. Welche konkrete Zeitzugabe angemessen bzw. erforderlich ist, liegt im pädagogischen Ermessen.
Rechtschreibfehler, die auf einer Lese-/Rechtschreibstörung basieren, können bei der Leistungsbeurteilung im Unterrichtsgegenstand Deutsch bzw. in Fremdsprachen ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.
Es besteht kein Einwand, dass Schülerinnen und Schülern bei der Leistungserbringung bei schriftlichen Arbeiten zeitgemäße Hilfsmittel zur Überprüfung der Schreibrichtigkeit zur Verfügung gestellt werden (z.B. Verfassen der Arbeit am PC: vorgesehen sind ein Textverarbeitungsprogramm, die Nutzung einer elektronischen Korrekturhilfe und ein Online-Wörterbuch).
Wurde im Schulalltag eine Lese-/Rechtschreibschwäche oder Lese-/Rechtschreibstörung festgestellt und entsprechend berücksichtigt, so gilt dies auch für die SRDP. Relevante Hilfestellungen, die im Schulalltag zum Einsatz kamen, sind auch bei der SRDP anzuwenden. Es ist grundsätzlich kein gesondertes (neues) Gutachten für die SRDP nötig; ein solches kann aber im Zweifelsfall eingefordert werden.
Bei einer Prüfungskandidatin bzw. einem Prüfungskandidaten mit einer Lese-/Rechtschreibstörung können die Rahmenbedingungen bei der BRP bzw. Externistenreifeprüfung angepasst werden. Ein klinisch-psychologisches Gutachten über das Vorliegen der Lese- und Rechtschreibstörung nach ICD-10- bzw. AWMF-S3-Leitlinie ist beizubringen. Über die Anpassungen im organisatorischen Ablauf und in der Durchführung der abschließenden Prüfung entscheidet die Vorsitzende oder der Vorsitzende.
Es freut mich, dass mit den aktuellen Richtlinien nun endlich klar formulierte Förder- und Beurteilungskriterien ausgearbeitet wurden. Den Lehrkräften werden unmissverständlich alle Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt. Das Rundschreiben macht deutlich, dass kein klinisch-psychologischer Befund vorliegen muss, damit Lehrkräfte unterstützend eingreifen können.
Hier geht’s zum Rundschreiben.
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