Obwohl Legasthenie und Dyskalkulie von der WHO anerkannte Entwicklungsstörungen sind, sind die Berufsbezeichnungen Legasthenie- oder Dyskalkulie-Trainer bzw. Legasthenie- oder Dyskalkulie-Therapeut in Österreich keine geschützten Berufsbezeichnungen. D. h. der Gesetzgeber macht keine Vorgaben bezüglich Aus-, Fort- und Weiterbildung. Ferner werden Ausbildungen zum Legasthenie- oder Dyskalkulie-Therapeuten in keiner Weise durch Zertifizierungen überprüft. Rein theoretisch darf jeder Lernstörungen therapieren, auch die gelernte Friseurin von neben an. Dementsprechend groß ist der Angebotsdschungel auf dem freien Markt. Neben vielen seriösen und hochqualifizierten Therapeutinnen und Therapeuten gibt es leider auch viele Anbieter, die Behandlungen anbieten, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht bestätigt werden konnten. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, sich bei der Suche nach dem geeigneten Therapeuten an bestimmten Qualitätskriterien zu orientieren.
Fragen Sie nach, über welche facheinschlägigen Aus-, Fort und Weiterbildungen die fördernde Person verfügt. Eine spezifische und wissenschaftlich orientierte Ausbildung ist die Grundvoraussetzung für eine qualitativ hochwertige Therapie von Lernstörungen.
Welchen Grundberuf und welche Vorerfahrung mit Kindern hat die Therapeutin oder der Therapeut? Auch ich bin als Bauingenieurin Quereinsteigerin, hatte aber über 20 Jahre Erfahrung in der Lernbegleitung von Kindern und besuchte viele einschlägige Ausbildungen bevor ich meine akademische Ausbildung zur Lerntherapeutin begonnen habe.
Seriöse Ausbildungsinstitute haben strenge Aufnahmekriterien und bieten einerseits eine breite, empirisch fundierte und umfassende Ausbildung, die dem aktuellen Wissenstand entspricht, an. Andererseits ist eine Anerkennung und Vernetzung im Berufsverband der Akademischen Legasthenie- und Dyskalkulie- Therapeut*innen gewährleistet. Die TeilnehmerInnen lernen evidenzbasierte und allgemein anerkannte Testverfahren und Fördermethoden kennen, die für alle Fachpersonen zugänglich sind und nicht nur für einen kleinen bestimmten Personenkreis. Weiters sammeln die TeilnehmerInnen einer weitanerkannten Ausbildung ausreichend Praxiserfahrung unter Anleitung erfahrener TherapeutInnen.
Ich persönlich empfehle Ausbildungen, die zumindest von einem der folgenden Verbände anerkannt wird:
Österreich:
BALDT ( Berufsverband akademischer Legasthenie-Dyskalkulie-TherapeutInnen)
Deutschland:
FiL (Fachverband integrative Lerntherapie)
BVL (Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie)
BLT (Berufsverband für Legasthenietherapeuten und Legasthenietherapeutinnen)
Der Ausgangspunkt für eine wirksame Therapie von Lernstörungen ist eine ausführliche Untersuchung der Lese-, Rechtschreib- und/oder Rechenleistung mit standardisierten Tests. Eine fundierte Förderdiagnostik bietet die Grundlage für einen individuellen und kindzentrierten Therapieplan.
Fragen Sie nach, welche Testverfahren angewendet werden, um die Lese- , Rechtschreib- und Rechenschwierigkeiten festzustellen und einordnen zu können. Sind diese Testverfahren für alle Fachpersonen, wie PsychologInnen und Lerntherapeuten, erhältlich und somit allgemein von Fachkräften anerkannt, oder handelt es sich um ein Testverfahren, dass nur einer kleinen Gruppe von Personen zugänglich ist?
Über welches Wissen verfügt der Therapeut bzw. die Therapeutin bezüglich Lernstörungen? Decken sich die Erklärungen der Legasthenie oder der Dyskalkulie mit wissenschaftlich gestützten Erklärungsansätzen?
Erkundigen Sie sich, welche Fördermethoden zum Einsatz kommen und worauf sich diese begründen. Therapien oder Trainings, die versprechen an der Ursache der Legasthenie zu arbeiten sind unseriös! Eine seriöse Therapie ist symptomorientiert. Lesen, Schreiben und Rechnen lernt man nur durch Lesen, Schreiben und Rechnen! Es sollten nur Fördermethoden zur Anwendung kommen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich belegbar ist.
Einen guten Überblick über wissenschaftlich fundierte Fördermethoden finden Sie in den S3 Leitlinien. Eine Leitlinie schafft eine wissenschaftlich begründete Basis für die Entscheidungen, welche diagnostische Verfahren und welche Therapiemethoden angewendet werden sollen.
Auch die Broschüre Evidenzbasierte LRS-Förderung gibt einen Überblick über Förderprogramme und Förderansätze, für die eine Verbesserung der Lese- und / oder Rechtschreibleistungen bei Kindern mit LRS in kontrollierten Studien belegt werden konnte und die daher für den Einsatz im Rahmen der schulischen und außerschulischen LRS-Förderung empfohlen werden können.
Legasthenie und Dyskalkulie sind nicht heilbar und können nicht mit wenigen Therapiesitzungen weggezaubert werden. Leider! Trauen Sie also keinen Schnellheilungsversprechen! Eine seriöse Therapie sollte jedenfalls langfristig angelegt werden und dauert in der Regel mindestens ein Jahr. Je nach den bestehenden Problemen kann die Dauer der Therapie auch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Aufgrund der Vielzahl an Einflussfaktoren kann keine seriöse Auskunft über die genaue Dauer einer Therapie gegeben werden.
Die Leistungsfortschritte sollten regelmäßig mit standardisierten Verfahren überprüft werden. Die Erfolge, aber auch die Misserfolge, sollten analysiert und den Eltern rückgemeldet werden.
Selbstverständlich müssen auch die Rahmenbedingungen passen. Wo wird gelernt? In einem ruhigen Raum ohne Ablenkungen? Wird Einzel- oder Gruppenförderung angeboten? Werden die Eltern unterwiesen, wie Übungseinheiten zu Hause durchgeführt werden sollen?
Der allerwichtigste Punkt für eine erfolgreiche Therapie, ist eine gute, vertrauensvolle Therapeuten-Klienten-Beziehung. D. h. Ihr Kind sollte nicht nur gerne in die Therapie gehen, auch Sie als Eltern sollten Vertrauen in die Arbeit des Therapeuten haben.
Der Berufsverband Akademischer Legasthenie-Dyskalkulie-TherapeutInnen - kurz BALDT - hat einen Standard entwickelt, der die Ausbildungsqualität und Qualifikation von Legasthenie- und Dyskalkulie-Therapeuten sichert. Therapeuten, die aktive Mitglieder sind, müssen eine qualitativ hochwertige Ausbildung absolviert haben und müssen einen jährlichen Fortbildungsnachweis erbringen.
Bundesministerium für Bildung. (2019). Der schulische Umgang mit der Lese-Rechtschreib-Schwäche- Eine Handreichung.